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Urteil: Brandschutz, Einsatztaktik, Rückzug durch kontrolliertes Abbrennenlassen

Verwaltungsgericht Minden, Az. 9 K 1694/09 vom 16.12.2010

Kontrolliertes Abbrennenlassen eines Supermarktes kein ordnungsgemäßer (baulicher) Brandschutz; Ordnungsgemäßer (baulicher) Brandschutz muß wirksame Löscharbeiten ermöglichen.

Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen besondere Brandschutzanforderungen des Beklagten in der ihr erteilten Baugenehmigung für einen Lebensmittelmarkt mit einer Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern.

Die Klägerin hat auf dem Grundstück F. , Gemarkung B. , Flur 5, Flurstücke 611, 779, 809, 810 (C-straße 54) einen Lebensmittelmarkt (Q. -Markt) mit Stehcafé errichtet, der inzwischen fertiggestellt und eröffnet worden ist. Der Lebensmittelmarkt hat eine Verkaufsfläche von 796,75 m², das benachbarte Stehcafé ist 34,93 m² groß. Das ebenerdige Gebäude weist eine Dachkonstruktion mit Nagelplattenbindern auf.

Für das Bauvorhaben stellte die Klägerin am 04.03.2009 einen Bauantrag und legte unter dem 06.03.2009 ein Brandschutzkonzept vor. Das Vorhaben genehmigte der Beklagte mit Bescheid vom 10.06.2009. Die Baugenehmigung enthält Nebenbestimmungen u.a. zum Brandschutz. So lauten die Nebenbestimmungen BSM 1 und BSM 2:
"BSM 1: Der (als Anlage beiliegende) Erlass des Bauministeriums zum Thema "Dachkonstruktion aus Nagelplattenbinder ohne Brandschutzanforderungen nach der BauO NRW" vom 28.08.2008 ist für den statischen Nachweis sowie für die Errichtung der Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern zu berücksichtigen bzw. entsprechend umzusetzen. Hierfür ist entweder der statische Nachweis entsprechend zu erbringen oder es sind ausreichend Lüftungsziegel bzw. Wärmeabzugsflächen herzustellen (§ 54 Abs. 2 BauO NRW).
BSM 2: Da es nicht Aufgabe der Feuerwehr ist, brandschutztechnische Unzulänglichkeiten zu kompensieren (Inbetriebnahme von Überdrucklüftern zur Ermöglichung der Entrauchung, damit wirksame Löscharbeiten durchgeführt werden können / § 17 Abs. 1 BauO NRW), ist für den Verkaufsraum eine ausreichende Rauchabzugsmöglichkeit baulich zu schaffen (§ 48 Abs. 2 BauO NRW / ... dass die Räume ausreichend ... belüftet werden können ... sowie § 54 Abs. 2 Nr. 9 BauO NRW / ... können zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 (BauO NRW) besondere Anforderungen gestellt werden ... ... insbesondere ... ... die Lüftung ..."
Hier kommen außer den in dem Brandschutzkonzept theoretisch genannten Rauchabzugsvarianten (Gem. DIN 18232 T.2) auch zwei weitere weitaus kostengünstiger(e) und schon oft praktizierte Möglichkeiten in Betracht:
a) z.B. analog der IndBauR Nr. 5.6.1 (auch gem. der IndBauR dienen die Rauchabzugsanlagen primär der Ermöglichung der wirksamen Löscharbeiten durch die Feuerwehr, um einen Brandherd lokalisieren zu können) werden mind. 2 % Wand- und/oder Deckenöffnungen, bezogen auf die jeweilige Grundfläche, geschaffen, die eine Rauchableitung ins Freie ermöglichen.
b) z.B. Installation eines oder mehrerer Brandgasventilatoren, ausgelegt für einen mind. 10-fachen Luftwechsel in dem Verkaufsraum, Stromerzeugung z.B. mind. über eine Parallelabnahme an der Hauptverteilung mit eigener Absicherung (FI), Ansteuerung mind. über einen Rauchabzugstaster im Ladenhaupteingangsbereich (Auslösung des Ventilatoren sowie Zuluftsicherung durch Türenaufstellung durch die Feuerwehr, besser automatische Auslösung der Rauchgasventilatoren sowie automatische Öffnung der Zuluftflächen (Türen) mittels zu installierender Rauchmelder, Kabeltrasse im Ladenbereich als E-30 Verkabelung, oberhalb der Decke (F 0) nur das Kabel selbst (nicht die Befestigung) als E-30."

Gegen diese Brandschutzbestimmungen in der Baugenehmigung erhob die Klägerin am 09.07.2009 zunächst Anfechtungsklage und hat zur Begründung vorgetragen: Der Beklagte stelle zu Unrecht weitere Brandschutzanforderungen an das Bauvorhaben, die über das Brandschutzkonzept hinausgingen. Gutachterlich sei belegt worden, dass die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Nagelplattenbinderkonstruktion erfüllt worden seien. Ein daneben bestehendes Brandschutzziel lasse sich mit einer sicheren und schnellen Räumung des Gebäudes sowie einer frühzeitigen Branderkennung und Alarmierung der Gebäudenutzer (und somit auch der Feuerwehr) gewährleisten. Wenn das Schutzziel Menschenrettung erreicht sei, sei ein Innenangriff der Feuerwehr nicht mehr erforderlich und das Gebäude könne kontrolliert abbrennen. Da der Schutz des Gebäudes nicht im Vordergrund stehe, dürften auch keine besonderen Anforderungen an die Standsicherheit gestellt werden. Die Forderung einer Rauchabzugsanlage, die nur mit einem hohen konstruktiven und technischen Aufwand zu verwirklichen sei, stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen der Anlage. Durch die kurzen Rettungswege und die vorgesehene flächendeckende Überwachung des Dachraums sei die Selbstrettung der sich in dem Verkaufsraum aufhaltenden Personen bei einem Brand im Dachhohlraum sichergestellt. Weitergehende Brandschutzanforderungen seien möglicherweise aus der Sicht des Beklagten sinnvoll, hätten aber keine Rechtsgrundlage in der BauO NRW.

Anlässlich einer Besichtigung der abschließenden Fertigstellung des Marktes am 07.12.2009 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin die Brandschutzforderungen BSM 1 und BSM 2 umgesetzt hat und diesbezüglich keine weiteren Forderungen bestehen. Hierzu trägt die Klägerin ergänzend vor, die Nebenbestimmungen hätten sich mit ihrer Erfüllung erledigt. Sie habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Brandschutzanforderungen für einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten. Außerdem plane die Klägerin vergleichbare Bauvorhaben mit Nagelplattenbindern in Nordrhein-Westfalen und müsse auch dort mit entsprechenden Auflagen rechnen. Eine isolierte Anfechtung der Nebenbestimmungen sei nicht möglich, da es sich um sogenannte modifizierende Auflagen handele.

Die Klägerin beantragt nunmehr, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, ihr die beantragte Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmungen - Brandschutz - BSM 1, BSM 2 - eingeschlossen die Buchstaben a) und b) - zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. In der Sache sei es zulässig, über die Festlegungen in den Bauvorlagen und in dem Brandschutzkonzept hinausgehende Anforderungen zu stellen, um die Schutzziele des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 BauO NRW zu erfüllen. Die Klägerin habe die Forderungen des § 17 Abs. 1 BauO NRW nur im Hinblick auf die Vorbeugung der Entstehung eines Brandes und die Rettung von Menschen nachgewiesen und den Bereich der ebenfalls erforderlichen Ermöglichung der wirksamen Löscharbeiten sowie der Vorbeugung der Ausbreitung von Feuer und Rauch nicht behandelt. Diesen Schutzzielen laufe das vorgelegte Brandschutzkonzept mit seiner Festlegung zuwider, dass die Feuerwehr im Brandfall die Verkaufshalle des Discounters kontrolliert abbrennen lassen solle. Der Erlass des Bauministeriums beschreibe mehrere Möglichkeiten, Nagelplattenbinderkonstruktionen auch ohne nachgewiesenen Feuerwiderstand genehmigen und ausführen zu können. Zur Verhinderung des vorzeitigen Totaleinsturzes, einer kinematischen Kette, sei das statische System durch zusätzliche Maßnahmen sicherzustellen, so dass das Gebäude während der Entstehungsphase eines Brandes für einen Innenangriff noch betreten werden könne. Ein Innenangriff erfordere zudem, dass das Gebäude zu entrauchen sei, damit der Brandherd lokalisiert werden könne.

Mit Schreiben vom 22.11.2010 hat der Beklagte die Nebenbestimmung BSM 1 konkretisiert. Nach der Regelung BSM 1 Satz 2 ist demnach entweder der statische Nachweis entsprechend zu erbringen oder es sind ausreichend Lüftungsziegel bzw. Wärmeabzugsflächen herzustellen (§ 54 Abs. 2 BauO NRW), wobei die Öffnungen bezogen auf die Grundfläche, hier Deckenfläche, mindestens 1 % betragen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Mit dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmungen - Brandschutz - BSM 1, BSM 2 - eingeschlossen die Buchstaben a) und b) - zu erteilen, handelt es sich bei dem Begehren der Klägerin um eine Fortsetzungsfeststellungsklage. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch im Falle der Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.01.1992 - 7 C 24.91 -, BVerwGE 89, 354 und vom 29.04.1992 - 4 C 29.90 -, DVBl 1992, 1230. Danach ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, wenn die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig gewesen ist, ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und ein Feststellungsinteresse vorliegt. Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.03.1998 - 4 C 14/96 -, BVerwGE 106, 295.

Bei den Brandschutzbestimmungen BSM 1 und BSM 2 handelt es sich nicht um Auflagen im Sinne von § 36 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW - VwVfG NRW -, die isoliert angefochten und aufgehoben werden können, sondern um Regelungen des Inhalts der Baugenehmigung vom 10.06.2009. Sie sind notwendige Brandschutzbestimmungen und damit integraler Bestandteil der Baugenehmigung gewesen, ohne die nach Auffassung des Beklagten die Baufreigabe für den Lebensmittelmarkt nicht hätte erteilt werden können. In diesem Fall kann die Klage in zulässiger Weise nur auf die Verpflichtung zur Erteilung einer anderen Genehmigung - vorliegend einer Baugenehmigung ohne die besonderen Brandschutzanforderungen BSM 1 und BSM 2 - gerichtet werden.
Vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 18.09.2002 - 1 LB 2855/01 -, BRS 65 Nr. 138; Eyermann, VwGO, Kommentar 13. Auflage 2010, § 42, Rdnr. 42.

Anders als die zunächst erklärte Umstellung der Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist die dann in der Annahme eines erledigten Verpflichtungsbegehrens erfolgte Änderung in eine Verpflichtungsfortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog als Klageänderung anzusehen. Gemäß § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Der Beklagte hat der Klageänderung zwar nicht zugestimmt. Sie ist jedoch wegen Sachdienlichkeit zuzulassen. Die Klageänderung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Brandschutzbestimmungen BSM 1 und BSM 2 als modifizierende Auflagen aus rechtlichen Gründen nicht isoliert angefochten werden können. Durch die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage in der Situation der Verpflichtungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) ändert sich der Klagegrund und die eigentliche Beurteilungsgrundlage für die Frage der Rechtmäßigkeit der Brandschutzanforderungen an das Vorhaben der Klägerin nicht wesentlich und die Klageänderung fördert die endgültige Beilegung des Streites. Vgl. zur Sachdienlichkeit BVerwG, Urteil vom 24.01.1992 - 7 C 24.91 -, BVerwGE 89, 354; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar 16. Auflage 2009, § 91, Rdnr. 19.

Das frühere Klagebegehren - so zu verstehen als die Verpflichtung des Beklagten auf Erteilung der Baugenehmigung für den Lebensmittelmarkt ohne die Brandschutzauflagen BSM 1 und BSM 2 - hat sich zwischenzeitlich erledigt. In der Verpflichtungssituation tritt die Erledigung dann ein, wenn die erstrebte Verpflichtung durch das Gericht wegen veränderter Umstände oder einer veränderten Rechtslage nicht mehr möglich oder sinnvoll ist und die Klage daher wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen werden müsste.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 60/92 -, DVBl 1994,1192; Eyermann, VwGO, Kommentar 13. Auflage 2010, § 113, Rdnr. 100.
Die Klägerin ist inzwischen bei der Errichtung des Lebensmittelmarktes den Brandschutzforderungen des Beklagten unter dem Druck einer termingerechten Vertragserfüllung nachgekommen. Weder hat sie nach Fertigstellung des Marktes ein Interesse an einer Baugenehmigung ohne die Auflagen noch will bzw. kann sie den Vollzug der Brandschutzforderungen des Beklagten rückgängig machen.

Das weiterhin erforderliche Feststellungsinteresse kann sich hier aus der Möglichkeit der Wiederholungsgefahr oder aufgrund eines Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten ergeben. Das berechtigte Interesse wegen Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass auch in Zukunft unter im Wesentlichen unveränderten Umständen die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird.
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar 16. Auflage 2010, § 113, Rdnr. 141.
Das kann hier nicht festgestellt werden. Die Klägerin hat zwar dargelegt, dass sie auch in Zukunft aufgrund standardisierter Baupläne vergleichbare bzw. gleiche Lebensmittelmärkte in Nordrhein-Westfalen bauen wird. Dies bedeutet aber noch nicht hinreichend konkret, dass der Bau eines weiteren Lebensmittelmarktes gerade im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in absehbarer Zeit bevorsteht. Auch werden andere Bauaufsichtsbehörden durch die vorliegende Entscheidung des Beklagten zum Brandschutz in ihrer Genehmigungspraxis nicht gebunden.

Hinsichtlich einer Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Amtshandlung im Hinblick auf einen in Aussicht genommenen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess begehrt wird, fehlt das berechtigte Interesse, wenn der Prozess offensichtlich aussichtslos ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1972 - 4 C 18.71 -; Urteil vom 14.01.1980 - 7 C 92.79 -; Urteil vom 09.10.1984 - 1 C 22.83 -; Urteil vom 15.11.1984 - 2 C 56.81 -; Urteil vom 17.10.1985 - 2 C 42.83 -; Urteil vom 18.10.1985 - 4 C 21.80 -; OVG NRW, Beschluss vom 23.01.2003 - 13 A 4859/00 -, NVwZ-RR 2003, 696.

Die Klägerin hat schon nicht substantiiert geltend gemacht, dass ihr durch die Brandschutzanforderung BSM 1 ein Schaden im Sinne eines (finanziellen) Mehraufwandes entstanden ist. Der von ihr vorgelegte Prüfbericht der KLW Ingenieure GmbH vom 30.11.2009 kommt zu dem Ergebnis, dass die in ihrem Brandschutzkonzept vom 06.03.2009 beschriebenen konstruktiven Randbedingungen bereits den Vorgaben des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen zu Dachkonstruktionen aus Nagelplattenbindern ohne Brandschutzanforderungen nach der Landesbauordnung NRW entsprachen. Aufgrund dieses Prüfberichts kommt der Beklagte mit Schreiben vom 11.01.2010 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die konstruktiven Anforderungen an die Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern von der Klägerin berücksichtigt worden sind (vgl. Bl. 74 der Gerichtsakte). Demnach hat der Beklagte mit seiner Forderung BSM 1 offenbar keine solchen zusätzlichen Brandschutzanforderungen an die Dachkonstruktion des Lebensmittelmarktes gestellt, die nicht schon nach dem eigenen, zur Genehmigung gestellten Brandschutzkonzept der Klägerin verwirklicht werden sollten.

Das Bestehen eines Feststellungsinteresses bedarf aber keiner weiteren Vertiefung, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage jedenfalls unbegründet ist. Dass der Beklagte mit den Nebenbestimmungen BSM 1 und BSM 2 besondere Brandschutzanforderungen an das Bauvorhaben der Klägerin gestellt hat, war rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Lebensmittelmarkt ohne die Nebenbestimmungen BSM 1 und BSM 2, da dem beantragten Vorhaben ansonsten öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegengestanden hätten.

Gemäß § 75 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - BauO NRW - die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Nach § 3 Abs. 1 BauO NRW sind bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet wird. Insoweit bestimmt § 17 Abs. 1 BauO NRW, dass bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 unter Berücksichtigung insbesondere der Brennbarkeit der Baustoffe, der Feuerwiderstandsdauer der Bauteile, ausgedrückt in Feuerwiderstandsklassen, der Dichtheit der Verschlüsse von Öffnungen, der Anordnung von Rettungswegen so beschaffen sind, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.

Die brandschutzrechtlichen Anforderungen werden dabei in den §§ 29 ff. BauO NRW konkretisiert. Mangels eines entsprechenden Regelungsgegenstandes sind diese hier nicht die Rechtsgrundlage für den vom Beklagten geforderten Brandschutz. Die Brandschutzbestimmungen BSM 1 und BSM 2 können jedoch auf § 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW gestützt werden. Danach können für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung (Sonderbauten) im Einzelfall zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 besondere Anforderungen gestellt werden. Die Anforderungen nach § 54 Abs. 1 BauO NRW können sich insbesondere auf Brandschutzeinrichtungen und Brandschutzvorkehrungen erstrecken, § 54 Abs. 2 Nr. 5 BauO NRW. Dabei kann es sich um Feuermelder, Feuerlöscher, Hydranten, Sprinkleranlagen, Rauchmeldeanlagen, Sicherung einer "rauchfreien Schicht" über einen bestimmten Zeitraum o. Ä. handeln. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.01.2008 - 10 A 1277/07 -, BRS 73 Nr. 190; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Kommentar, Loseblatt Stand 01.08.2010, § 54, Rdnr. 46.

Bei dem beantragten Lebensmittelmarkt handelt es sich um eine bauliche Anlage besonderer Art (Sonderbau). Gemäß § 54 Abs. 3 BauO NRW gelten die Vorschriften der Absätze 1 und 2 insbesondere für die in § 68 Abs. 1 Satz 3 aufgeführten Vorhaben. Das sind u.a. gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BauO NRW Verkaufsstätten mit mehr als 700 m² Verkaufsfläche. Mit knapp 800 m² überschreitet der Markt der Klägerin diese Grenze.

§ 54 Abs. 1 BauO NRW eröffnet der Bauaufsicht einen gerichtlich nur beschränkt kontrollierbaren Ermessenspielraum für den Erlass besonderer Anforderungen an bauliche Anlagen. Bei der Ausübung ihres Ermessens kann der Beklagte hier allerdings nicht unmittelbar die Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau - IndBauR - als technisches Regelwerk zugrundelegen. Die Industriebaurichtlinie ist dem Wortlaut nach nicht anwendbar, da sie nach Ziffer 2 für Industriebauten gilt. Industriebauten sind nach Ziffer 3 der IndBauR Gebäude oder Gebäudeteile im Bereich der Industrie und des Gewerbes, die der Produktion (Herstellung, Behandlung, Verwertung, Verteilung) oder Lagerung von Produkten oder Gütern dienen. Hierunter fällt die Verkaufsstätte der Klägerin nicht. Für diese ist auch nicht die Verordnung über Bau und Betrieb von Sonderbauten - Sonderbauverordnung - SBauVO - vom 17.11.2009 einschlägig. Gemäß § 59 SBauVO gelten ihre Vorschriften für Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen einschließlich ihrer Bauteile eine Fläche von insgesamt mehr als 2.000 m² haben. Der Lebensmittelmarkt der Klägerin erreicht diese Größe nicht.

Mangels einer einschlägigen Vorschrift in der Bauordnung NRW oder in einer Sonderbauverordnung ermächtigt letztlich § 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW die Bauaufsichtsbehörden, an baulichen Anlagen besonderer Art oder Nutzung im Einzelfall besondere Anforderungen zu stellen, um in Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW und unter Berücksichtigung der allgemeinen materiellen Anforderungen der Bauordnung NRW Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verhindern. Vgl. Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, BauO NRW, Kommentar, 11. Auflage 2008, § 54, Rdnr. 15.

Mit dem Erlass der Brandschutzanforderung BSM 1 in der Baugenehmigung vom 10.06.2009 hat der Beklagte das ihm gemäß § 54 Abs. 1 Satz1 BauO NRW eingeräumte Ermessen zur Gefahrenabwehr nicht fehlerhaft ausgeübt. 

An die Dachkonstruktionen von Verkaufsstätten werden nach der Bauordnung NRW keine Anforderungen hinsichtlich der Feuerwiderstandsfähigkeit gestellt. Typisch für Discountmärkte wie den der Klägerin ist ein flach geneigtes Dach mit harter Bedachung, das ohne weitere Stützen auf den Außenwänden lagert. Die Dachkonstruktion besteht aus sägerauem Bauholz, das mit Nagelplatten miteinander verbunden wird. Der Dach- und der Verkaufsraum ist mit einer abgehängten Zwischendecke abgetrennt. Die gesamte Dachkonstruktion mit der Zwischendecke und den Deckendurchbrüchen für die Technik weist keinen Brandwiderstand auf (Brandklasse F0). Eine solche Dachkonstruktion mit Nagelplattenbindern weist ein problematisches Brandverhalten auf. Bei einer statischen Auslastung der Nagelplatten und der Holzbauteile mit mehr als 90 % ist bei einem Versagen eines Nagelplattenbinders keine Lastumlagerung möglich. Brennt der Dachraum, stauen sich die heißen Brandgase wegen fehlender Rauch- und Wärmeabzüge und heizen die Bauteile auf, so dass deren Tragevermögen und Standfestigkeit vermindert werden. Aufgrund der geringen Bauteildicke der Nagelplatten und der hohen Wärmeleitfähigkeit von Stahl unterliegen die außenliegenden Stahlbleche schon kurz nach der Entstehung des Brandes einem hohen Temperaturanstieg, der zu einer Verkohlung des Holzes an den Kontaktstellen führen kann. Ist die statische Auslastung zu hoch, stürzt die gesamte Dachkonstruktion vorzeitig und schlagartig ein, sobald nur ein einziger Nagelplattenbinder versagt (sog. kinematische Kette).

Die Gefahr der kinematischen Kette ist nach der im Erlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen "Dachkonstruktionen aus Nagelplattenbindern ohne Brandschutzanforderungen nach der Landesbauordnung NRW" vom 28.08.2008 genannten DIN 1055-100:2001-03 "Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln" durch einen entsprechenden Nachweis der Tragwerksicherheit auszuschließen. Dort ist in Abschnitt 4.1 Abs. 3 ausgeführt, dass die mögliche Schädigung (des Tragwerks) durch die angemessene Wahl einer oder mehrerer der folgenden Maßnahmen begrenzt oder vermieden werden muss: - Verhinderung, Ausschaltung oder Minderung der Gefährdung, denen das Tragwerk ausgesetzt ist, - Wahl eines Tragsystems, das eine geringere Anfälligkeit gegen die hier betrachteten Gefährdungen aufweist, - Wahl eines Systems oder einer baulichen Durchbildung derart, dass der zufällige Ausfall eines einzelnen Bauteils oder eines begrenzten Teils des Tragwerks bzw. das Auftreten hinnehmbarer örtlicher Schädigungen nicht zum Versagen des Gesamttragwerks führt, - Anwendung von Tragsystemen, die mit Vorankündigung versagen, - Herstellung tragfähiger Verbindungen der Bauteile untereinander.

Welche der zusätzlichen vorbeugenden Maßnahmen, wie z.B. Maßnahmen zur Erhöhung des Feuerwiderstandes oder Maßnahmen zur Schaffung von Reserven in der Konstruktion, in der Praxis gewählt werden, liegt in der Verantwortung des Tragwerksplaners. Jedenfalls gilt mit der DIN 1055-100:2001-03 als Grundsatz für alle Bauarten, dass der Ausfall eines einzelnen Dachbinders im Brandfall nicht zum Totaleinsturz des gesamten Daches führen darf. Dieser Grundsatz ist mit der bauaufsichtlichen Einführung der DIN 1055-100:2001-03 "Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln" bereits als allgemein anerkannte Regel der Technik zu beachten, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW.

Hiervon kann mit dem Brandschutzkonzept der Klägerin vom 06.03.2009 nicht abgewichen werden. Das Brandschutzkonzept geht zwar davon aus, dass die Vermeidung einer kinematischen Kette nicht dem vorbeugenden, sondern dem konstruktiven Brandschutz zuzuordnen ist. Es wird jedoch auch in der Anlage 2, Kapitel 3.3 ausdrücklich darauf hingewiesen, "dass für alle baulichen Anlagen Nachweise für die Standsicherheit einschließlich der Feuerwiderstandsdauer tragender Bauteile (bzw. des Nachweises, dass das Versagen eines Dachbinders durch Brandeinwirkung in der Phase der Brandentwicklung nicht zum Totaleinsturz eines Daches bereits deutlich vor der Phase des Vollbrandes führt) von hierzu berechtigten Personen aufzustellen oder nach Prüfung auf Einhaltung der bauaufsichtlichen Anforderungen durch Sachverständige (Prüfingenieure) zu bescheinigen sind" (vgl. S. 99 der Beiakte Nr. 2). Ein Mehr gegenüber diesen Ausführungen im Brandschutzkonzept der Klägerin im Hinblick auf die Problematik einer kinematischen Kette hat der Beklagte mit seiner Nebenbestimmung BSM 1 Satz 2 1. Alternative, einen Nachweis der Tragwerksicherheit in den Bauvorlagen und bei der Errichtung der Dachkonstruktion zu erbringen, auch nicht gefordert.

Soweit der Beklagte in der Nebenbestimmung BSM 1 Satz 2 alternativ bestimmt hat, dass ausreichend Lüftungsziegel bzw. Wärmeabzugsflächen herzustellen sind (§ 54 Abs. 2 BauO NRW), wobei die Öffnungen bezogen auf die Grundfläche, hier Deckenfläche, mindestens 1 % betragen müssen, betrifft dies überhaupt nur den Fall, dass die Tragwerksicherheit in den Bauvorlagen nach der DIN 1055-100:2001-03 nicht ausreichend nachgewiesen worden ist. So auch der Erlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen "Dachkonstruktionen aus Nagelplattenbindern ohne Brandschutzanforderungen nach der Landesbauordnung NRW vom 28.08.2008, S. 2.

Für diesen Fall ist die Nebenbestimmung BSM 1 Satz 2 2. Alternative als besondere Brandschutzanforderung an die Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern gemäß § 54 Abs. 1 BauO NRW zulässig. Die mit dem Einbau von Lüftungsziegeln bzw. Wärmeabzugsflächen verbundene Wärme- und Druckentlastung ist ein geeignetes Mittel, um ein Versagen des Gesamtdachtragwerks über einen gewissen Zeitraum zu verhindern. Anderenfalls bilden sich bei einem Brand im Dachraum des Lebensmittelmarktes unverbrannte Pyrolyseprodukte, die sich mangels einer Abführung nach außen explosionsartig entzünden können (sog. Flash-over) oder die mit dem damit verbundenen Temperaturanstieg im Dachraum zu einer Verformung der Nagelplatten und zu einer Gefährdung der Tragwerkskonstruktion führen. Durch eine angemessene Dauer der Standsicherheit im Brandfall (vgl. § 15 BauO NRW) wird den Nutzern die Möglichkeit gegeben, sich aus dem Gebäude zu entfernen, und die mit der Löschung und Personenrettung befasste Feuerwehr geschützt. Wirksame Löscharbeiten im Sinne von § 17 Abs. 1 BauO NRW werden so durch die hinreichende Standsicherheit der Dachkonstruktion im Brandfall erst ermöglicht.

Die Voraussetzungen für die in BSM 2 geforderte Brandschutzvorkehrung, eine ausreichende Rauchabzugsmöglichkeit für den Verkaufsraum zu schaffen, sind ebenfalls gegeben. Danach kommt für eine Entrauchung des Verkaufsraums neben einer Rauchabzugsanlage nach der DIN 18232, Teil 2, auch die Schaffung von mindestens 2 % Wand- und/oder Deckenöffnungen, die eine Rauchableitung ins Freie ermöglichen (BSM 2 a), oder auch die Installation eines oder mehrerer Brandgasventilatoren, ausgelegt für einen mindestens 10-fachen Luftwechsel in dem Verkaufsraum (BSM 2 b), in Betracht. Diese besondere brandschutzrechtliche Anforderung hat sich an den Brandschutzzielen des § 17 Abs. 1 BauO NRW zu orientieren, wonach der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt werden muss und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sein müssen. Diese Schutzziele müssen verwirklicht werden, um von einer ausreichenden Sicherheit im Brandfalle für die Nutzer baulicher Anlagen ausgehen zu können. Vgl. Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, BauO NRW, Kommentar, 11. Auflage 2008, § 17, Rdnr. 2.

Der Klägerin ist mit ihrem Brandschutzkonzept darin zu folgen, dass eine Entrauchung des Verkaufsraums für die Rettung von Menschen, die in dem Lebensmittelmarkt einkaufen oder arbeiten, regelmäßig nicht erforderlich ist. Das Schutzziel Menschenrettung wird bereits dadurch erreicht, dass durch die Ausbildung von kurzen Rettungswegen - hier von maximal 25 m - in Verbindung mit einer flächendeckenden Überwachung des Dachraums durch automatische Rauchmelder die Selbstrettung der im Verkaufsraum befindlichen Menschen sichergestellt ist, so dass es in aller Regel nicht der Mitwirkung der Feuerwehr bedarf. Vgl. hierzu auch die Grundsätze zur Auslegung des § 14 MBO der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ARGEBAU) abgestimmt mit dem AK Grundsatzfragen und dem AK VB/G der AGBF vom 16./17.10.2008; Helm, Beitrag und weitere Stellungnahmen zum Brennpunkt "Wie sicher sind Dächer aus Nagelplattenbindern?, Feuertrutz Magazin, 3.2009.

Die geforderte Rauchabzugsmöglichkeit im Verkaufsraum verlängert auch nicht die Standzeit von Gebäudekonstruktionsteilen, hier des Daches aus einer Nagelplattenbinderkonstruktion. Denn anders als die auf dem Dach des Lebensmittelmarktes eingebauten Lüftungsziegel oder Wärmeabzüge führt eine Rauchabzugsanlage im Verkaufsraum nicht zu einer Wärme- und Druckentlastung im Dachraum. Durch sie wird auch keine raucharme Schicht nach der DIN 18232, Teil 2, erreicht.

Die vom Beklagten für den Verkaufsraum geforderte Rauchabzugsmöglichkeit führt aber zu einer Verbesserung der Sichtbedingungen für die Feuerwehr bei den Löscharbeiten. Durch die Verdünnung der Rauchgase wird die Feuerwehr in die Lage versetzt, den Entstehungsort eines Brandes im Verkaufsraum lokalisieren und diesen zumindest in der Entstehungsphase noch mit einem Innenangriff bekämpfen zu können. Diese Forderung ist in der Zusammenschau mit der Brandschutzanforderung BSM 1 des Beklagten schlüssig. Dadurch, dass der Gefahr des vorzeitigen Totaleinsturzes des Daches begegnet wird und dass durch die Rauchabzugsmöglichkeit im Verkaufsraum ein Entstehungsbrand lokalisiert werden kann, wird ein Innenangriff für die Feuerwehr erst kalkulierbar. Nimmt die Feuerwehr noch in der Entstehungsphase einen Innenangriff vor, so kann der Brandherd im Verkaufsraum noch eingedämmt und gelöscht werden. Der Innenangriff wird hingegen zum Schutz der Feuerwehrleute unterbleiben, wenn der Brand aufgrund mangelnder Sichtverhältnisse im Verkaufsraum nicht lokalisiert und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Dach bereits Feuer gefangen hat und ein Vollbrand des Gebäudes vorliegt. Wenn aber mit § 17 Abs. 1 BauO NRW die Ausbreitung von Feuer und Rauch verhindert sowie wirksame Löscharbeiten ermöglicht werden sollen, kann bei der Eindämmung eines Brandes nur von seinem Entstehungsort ausgegangen und gelöscht werden. Allein der Außenangriff der Feuerwehr ist dann keine wirksame Löscharbeit, weil so - auch im Falle eines noch begrenzten Brandes - das Abbrennen der gesamten Verkaufsstätte billigend in Kauf genommen wird.

Das kontrollierte Abbrennenlassen des Lebensmittelmarktes wird aber weder dem Umstand gerecht, dass ein Brand in der Entstehungsphase im Falle ausreichender Sichtverhältnissen mit einem Innenangriff ohne weiteres noch gelöscht werden kann, noch verhindert es die Ausbreitung von Feuer und Rauch. Während die frühzeitige Löschung eines Brandes durch Minimierung des Löschmitteleinsatzes und der Löschschäden zu einer Verminderung der Umweltschäden durch den Brandfall führt, ist mit der ungehinderten - letztlich gewollten - Entwicklung eines Entstehungsbrandes zum Vollbrand eines Gebäudes immer auch die Gefährdung anderer Personen oder Sachwerte verbunden. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit kann der vermeidbare Vollbrand eines Gebäudes nicht hingenommen werden, auch wenn wirtschaftliche Interessen des Betreibers hierfür sprechen.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.